Saturday, June 21, 2008

"LITERATUR AUF KATALANISCH: PROTAGONISTEN DER BUCHMESSE"


BUCHMESSE AUF KATALANISCH
Subirats | diumenge, 7 d'octubre de 2007 | 09:03h
"Die Spiegel"
Einmalig zweisprachig

Katalanische Literatur kommt Ihnen spanisch vor? Ein Fehler, wie die kommende Buchmesse zeigen wird. Franziska Bossy räumt ein altes Missverständnis aus - und stellt die wichtigsten Autoren vor.
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Hamburg - Hoch oben in den Pyrenäen, abgeschieden von der Welt, erreichte viele Katalanen im April 1931 die Nachricht, dass König Alfons XIII. ins Exil gegangen sei. "La República!" schallte es weithin durch die Dörfer. Die Zeit vor dem Bürgerkrieg - und vor der Diktatur - ist in der spanischen und katalanischen Literatur gleichermaßen ein wichtiges Thema: als eine Ära der Freiheit.

LITERATUR AUF KATALANISCH: PROTAGONISTEN DER BUCHMESSE

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Die Zeit vor Franco, als die spanischen Regionalkulturen noch nicht im Gebrauch ihrer jeweiligen Sprachen eingeschränkt waren, strahlt als wichtiges Kultur-Erbe bis in die Gegenwart hinein - und ihre Bücher. Aktuelle Übersetzungen katalanischer Erzählungen, die den Ausbruch des Bürgerkriegs und seine Nachwehen thematisieren, sind beispielsweise Jaume Cabrés Roman "Die Stimmen des Flusses" oder Maria Barbals Liebes-Drama "Wie ein Stein im Geröll", das sich seit Wochen auf der SPIEGEL-Bestseller-Liste hält: Barbal gelingt es, die Leser in die Vorkriegs-Welt einfacher Bergbauern zu versetzen, in der ein Lächeln - erste Vorahnung der Liebe - das Leben des Pyrenäen-Mädchens Conxa in ein warmes, noch nie gespürtes Licht taucht.

Der aufblühende Erfolg dieses schmalen Bandes kann als erster Vorbote für die Resonanz der Buchmesse gelten. Denn den deutschen Lesern sind die meisten Schriftsteller, die vom 10. bis zum 14. Oktober nach Frankfurt kommen, noch wenig bekannt. Als bedeutende Teilnehmer werden meist der Eröffnungsredner Quim Monzó, der Bestseller-Autor Albert Sánchez-Piñol und die Schriftstellerin Carme Riera genannt. Und wer noch? Zur Orientierung stellt SPIEGEL ONLINE jetzt in einer Bildergalerie 14 herausragende Köpfe der Buchmesse 2007 vor.

Repression zur Sprache bringen

Eines der zentralen Interessenfelder in diesem Jahr ist die politische Dimension der regionalen Zweisprachigkeit, sagte Buchmesse-Sprecherin Caroline Vogel zu SPIEGEL ONLINE. "Wir wollen, dass sich ein spannender Buchmarkt präsentiert," erläuterte sie die wünschenswerte "Identitätsdebatte".

Die Kontroversen reichen weit zurück. Fast vierzig Jahre repressive Sprachpolitik des Spanischen unter Franco hat die Verteidigungshaltung der Katalanen verhärtet. Doch diese - teils durchaus verständlichen - Ressentiments gipfelten auch in links-nationalistischen Bestrebungen des Katalanismus.

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Bis heute ist keine Ruhe eingekehrt, und im Vorfeld der Buchmesse werden erneut Dissonanzen hörbar. Aktueller Stein des Anstoßes: Das katalanische Kulturinstitut "Ramón Llull", das in Kooperation mit der Buchmesse die Einladungen an designierte Schriftsteller aussprach, lud die auf Spanisch schreibenden Katalanen verspätet ein. Unter anderem deshalb haben die spanischen Autoren der Region - darunter international bekannte Literaten wie Juan Marsé und Eduardo Mendoza - sich geschlossen dafür entschieden, der Buchmesse fernzubleiben.

Die auf Katalanisch schreibenden Schriftsteller sind den Vergleich mit dem - auch wirtschaftlichen - Erfolg ihrer spanischen Kollegen leid, weil er aufgrund der weiteren Verbreitung der auf spanisch publizierten Literatur für sie automatisch negativ ausfallen muss. Schon werden in einschlägigen Blogs weitere Misstöne laut: Vor dem Hintergrund der uralten Fehde monieren katalanische Stimmen, dass Kritiker, die versuchen, diese Vorgänge für das deutsche Publikum nachzuvollziehen, die katalanische Literatur grundsätzlich in ihrer Güte disqualifizieren wollen (wie beispielsweise in den Leserbriefen auf den Internetseiten der Zeitung "La Vanguardia", die den aktuellen und sehr guten "Literaturen"-Artikel von Merten Worthmann wiedergibt). Davon kann nicht die Rede sein.

Die Frage, an der sich die Meinungen scheiden, ist: Sind die in Katalonien geborenen Schriftsteller, die zur Beschreibung ihrer Kultur die Landes- und nicht die Regionalsprache wählen, spanische oder katalanische Autoren?

Beides, lautet eine mögliche Antwort, denn: Sie, die über Katalonien auf Spanisch schreiben, sind ein wichtiger, nicht weg zu denkender Teil des Kulturraums, sagte Fernando Valls, Barceloneser Gastprofessor an der Berliner Humboldt Universität.

Wünschenwert wäre es allemal, dass eine solche Kompromisshaltung in Frankfurt weitere Kreise zieht, schließlich befördert sie den ganzen kulturellen Reichtum der zweisprachigen Region. Buchmesse-Sprecherin Vogel stellte jedenfalls in Aussicht, dass auf Einladung der Verlage vermutlich doch auch einige von den auf Spanisch schreibenden Katalanen anreisen werden.

Mystische Liebe und Ritterromane

Einen weiteren Blickwinkel auf die katalanische Literatur eröffnet der Experte Jordi Cerdà Subirachs im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Denn auf die Frage nach deren bedeutendsten Werken nennt der Professor an der "Universitat Autònoma de Barcelona" vorerst keinen einzigen lebenden Gegenwartsliteraten. "Die große Periode der katalanischen Literatur ist das Mittelalter", erklärte Cerdà.

WO WIRD KATALANISCH GESPROCHEN?
Die Sprecherzahl der romanischen Sprache "Català" variiert je nach Angabe zwischen 7 und 10 Millionen. Katalanisch ist in einigen spanischen autonomen Gemeinschaften neben dem kastilischen Spanisch Amts- und Landessprache in Kooffizialität: im ehemaligen Fürstentum Katalonien mit dem Zentrum Barcelona, im Osten Aragoniens, auf den Balearen (Mallorca, Menorca, Cabrera) mit den Pityusen (Ibiza, Formentera) und in großen Teilen des ehemaligen Königreichs Valencia in einer valencianischen Variante (die Unterscheidung des Katalanischen und des Valencianischen ist umstritten). Katalanisch ist auch Amtssprache im Fürstentum Andorra. Ohne rechtliche Garantien und mit einer sinkenden Sprecherzahl wird das Katalanische in Südfrankreich (im Département Pyrénées- Orientales, dem Roussillon) und in der sardinischen Stadt L’Alguer gebraucht.
Das Mittelalter gilt als goldene Epoche des Altkatalanischen, zu der Zeit, als wiederum die katholischen Könige noch nicht das Kastilische den anderen romanischen Sprachen der iberischen Halbinsel bevorzugten.

"Ein Name erstrahlt über allen anderen", sagte Cerdà: "Ramón Llull", nach dem das erwähnte Kulturinstitut benannt ist. Llull ist für die katalanische Literatur etwa so bedeutsam wie Cervantes für die spanische oder Goethe für die deutsche. Ein Titel steche aus dem weitläufigen Werk des Theologen und Philosophen (1232-1316) heraus: das "Llibre d'amic e amat" (das "Buch vom Liebenden und Geliebten"), das Cerdà eine "Perle in der mystischen Tradition Europas" nennt.

Im 15. Jahrhundert seien weiterhin das Werk des valencianischen Lyrikers Ausiàs March (1397-1459) sowie die Ritter-Epen "Curial e Güelfa" und Joanot Martorells "Tirant lo Blanc" wichtig, der zur Bücherschau in Berlin ("Hebbel am Ufer", 27. September) und in der Messestadt (Schauspiel Frankfurt, 5.-7. Oktober) auf die Bühne gebracht wird. Die szenische Umsetzung besorgt Calixto Bieito, vieldiskutierter katalanischer Star-Regisseur und enfant terrible seines Fachs.

Mit einer Begründung für den Konflikt zwischen den auf Spanisch und Katalanisch schreibenden Autoren tut sich auch Cerdà schwer. Auf die Frage, ob er den deutschen Lesern erklären könne, warum die einen kommen und die anderen nicht, äußerte sich der Literaturprofessor sehr vorsichtig: "Es existiert eine fragile Übereinkunft, nach der man der katalanischen Kultur all das zurechnet, was sich auf katalanischem Territorium abspielt, in welcher Sprache auch immer. Im Gegensatz dazu versteht man unter katalanischer Literatur nur diejenige, die auch in katalanischer Sprache verfasst ist. Und Katalonien ist meiner Ansicht nach das gesamte Gebiet, in dem man diese Sprache spricht und schreibt."

Bei allen Kontroversen zwischen den zwei Kulturen, erwartet die Gäste der Buchmesse also vor allem eines: eine Feier dieser allgemein noch wenig bekannten Kultur, die sich selbst im Zuge des Anti-Frankismus auch immer wieder als Wiege der Demokratie versteht.

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